Tonnen, die entlasten

Erst Airport, dann Berufsschulen, und nun erobern die ersten Leergut-Behälter öffentliche Bereiche wie den Hauptbahnhof: Das Pfandprojekt des Straßenkreuzers wächst. Das stärkt solidarisches Handeln, sichert eine bessere Recyclingquote – und Arbeitsplätze.

Das Pfandprojekt des Straßenkreuzers ist knapp zwei Jahre nach seinem Start so vielfältig wie seine Leergut-Behälter: Am Flughafen ist es transparenter, besonders stabiler Kunststoff, knallrot und schlicht eckig ist die Tonne der B6 an der Bayreuther Straße, wegen Corona noch versteckt gibt sich der Behälter an der Berufsfachschule für Krankenpflege. Stahlblau, edel, schwer und mit allen Raffinessen ausgestattet sind schließlich die Tonnen des Pfandnetzwerks, das in Nürnberg mit dem Straßenkreuzer zusammenarbeitet.

Vielleicht erinnern Sie sich: Im Juni 2019 hob „Spende Dein Pfand“ am Flughafen Nürnberg ab. Das Projekt von Grüner Punkt, Flughafen Nürnberg und Straßenkreuzer lief von Anfang an rund. So wie es „Spende Dein Pfand“ bereits an acht anderen deutschen Flughäfen bewies, die ebenfalls meist mit ihren lokalen Straßenzeitungen kooperieren. Schließlich ist die Idee dahinter klar und sozial einfach unwiderstehlich: Obdachlosen und Arbeitslosen einen Job verschaffen und die Umwelt schonen. Dazu werfen Reisende ihr Leergut in die Behälter, die vor dem Sicherheitsbereich stehen. Spätestens dort müssten die Plastikflaschen eh entsorgt werden, dürfen nicht mit in den Flieger genommen werden. Die Pfandbeauftragten, die beim Straßenkreuzer angestellt sind, leeren die Tonnen regelmäßig, säubern und sortieren den Inhalt in einem eigens vom Flughafen zur Verfügung gestellten Raum, sammeln den Inhalt in großen Gebinden. Der Grüne Punkt holt das Leergut ab, zählt es, überweist dessen Wert an den Straßenkreuzer und sichert so im Idealfall die Arbeitsplätze der Mitarbeiter.

Erst waren die beiden Pfandbeauftragten Klaus Billmeyer und Petru Pista im Team, dann noch zwei weitere Männer mit weniger Stunden. Die Löhne konnten längst (noch) nicht durch die Erträge finanziert werden, aber das Projekt sollte die Chance haben, sich zu stabilisieren – und der Straßenkreuzer-Vorstand war gewillt, der Jobperspektive größte Priorität zu geben. Und dann kam Corona. Der Flugverkehr ist seitdem am Boden. Zwei Verträge hielt und hält der Straßenkreuzer aufrecht. Lohn-Patenschaften helfen dem Verein dabei. Dann kam im Juni 2020 ein erster Lichtblick von der Berufsschule B6 (Handel, Marketing und Medien) an der Bayreuther Straße. Dort hatten engagierte Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte sowie Schulleiter Reinhold Burger beschlossen, eine Pfandtonne in der Schule aufzustellen. Selbst bezahlt, bis zu fünf sollten es werden. Doch auch der Schulbetrieb war und ist Mangelware. Trotzdem will die B6 eine weitere Tonne aufstellen – in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Und wenige hundert Meter entfernt, an der Berufsfachschule für Krankenpflege, wurde die Idee der Auszubildenden Tabea Selam Ruschmeyer, an ihrer Schule auch einen Behälter aufzustellen „von allen Seiten unterstützt“, wie sie sagt. Die Tonne steht seit Februar im Hof, wegen Corona darf sie nicht besichtigt werden. Bezahlt wurde sie von einem Preisgeld, das Schüler gewonnen hatten – von Schülern für Schüler also! „Die Umwelt geht uns alle etwas an“, sagt Tabea. „Etwas Gutes tun, nur weil man sein Pfand in eine Tonne wirft, gibt es eine bessere Idee?“

Kaum, findet auch Christian Overweg. Der Unternehmensberater war schon lange von der Job-durch-Recycling-Idee begeistert, dann tüftelte er mit Partnern an möglichst sicheren, stabilen Behältern, die den Einsatz in öffentlichen Bereichen bestehen würden. Nun startete er sein Pfandnetzwerk in Nürnberg. Partner für die Entsorgung ist der Verein Straßenkreuzer. Erste Stellplätze im Rahmen einer Testphase wurden im Franken Einkaufszentrum und im Hauptbahnhof genehmigt. Weitere Tonnen werden in Absprache mit der Stadt Nürnberg zum Beispiel an Freibädern aufgestellt. Wichtiges Kriterium ist, dass keine Pfandsammler vertrieben werden sollen, die auf ihre Einnahmen angewiesen sind. Freilich wird der Straßenkreuzer, so es der Pfandertrag  zulässt, auch Profis außerhalb des jetzigen Teams gerne einen Job anbieten.

Nun stehen die ersten blauen Edelstahlbehälter mit unübersehbaren Aufdrucken. Sie sind nicht nur schick anzusehen, sie haben’s auch in sich. Technik, die unter anderem die Füllhöhe misst und an die Pfandbeauftragten übermittelt. So kann ein effektiver Entsorgungs-Fahrplan eingehalten werden, der auch noch Zeit und vor allem Sprit spart. Das alles kostet eine vierstellige Summe. Jede Tonne braucht daher einen Sponsor. Die Firma Ernst Meck GmbH war sofort bereit, die Kosten für den Prototypen zu übernehmen. Inzwischen ist auch die Umweltbank als Geldgeber für die doppelt gute Sache dabei, das Siemens Regionalreferat übernimmt die laufenden Kosten, weitere Sponsoren sind Christian Overweg und seinem Pfandnetzwerk willkommen. Bundesweit möchte Overweg seine Idee ausbauen und soziale Vereine wie den Straßenkreuzer, bzw. deren Pfandbeauftragte, profitieren lassen. Die Nürnberger Pfand-Crew fühlt sich ermutigt – immerhin etwas häufiger können die Männer inzwischen wieder Leergut einsammeln und zum Flughafen, der zentralen Abholstation des Grünen Punkts, bringen. Der Straßenkreuzer fühlt sich durch die Initiativen und die großartigen Unterstützer in der Sorge um das gute Projekt und die Jobs dahinter entlastet – um Tonnen sozusagen. 

Link zum Pfandnetzwerk: www.pfandnetzwerk.de

pfand_foto Giorgos Agelakis
Pfandbeauftragter Klaus Billmeyer (li.) leert die schicke blaue Tonne am Hauptbahnhof. Sozialpädagoge Max Hopperdietzel unterstützt ihn und bringt das Leergut später zur Sammelstelle am Flughafen. Foto: Giorgos Agelakis | giorgosagelakis.com