„Sehr viele Kunden haben mir gratuliert“
Reinhard Semtner hat es geschafft. Seit Dezember ist der Verkäufer des Straßenkreuzer „fest angestellt“. Warum er nach seiner Festanstellung weniger Geld zur Verfügung hat als vorher und deswegen nach wie vor auf regen Kundenzuspruch angewiesen ist, erklärt er im NZ-Gerspräch.
NZ: Herr Semtner, man kann ihnen ab sofort zu einem festen Arbeitsverhältnis gratulieren. Haben Sie jetzt ausgesorgt?
Semtner: Also ausgesorgt ist übertrieben formuliert. Zunächst muss ich ja jeden Monat 400 Hefte verkaufen. Dafür bekomme ich vom Verein monatlich 360 Euro und eine Prämie von 140 Euro, zusammen also 500 Euro. So lautet mein Arbeitsvertrag.
NZ: Hat sich denn am Arbeitsalltag etwas geändert?
Semtner: Nein, ich verkaufe genau so wie sonst, von morgens um neun bis um etwa halb fünf, jeden Tag. Ich werde ab sofort vielleicht sogar ein bisschen länger machen müssen. Meine Grundsicherung von 306 Euro wird mir im Dezember zum letzten Mal bezahlt. Die Prämie für 400 verkaufte Hefte beträgt 140 Euro, bei gleichbleibendem Erlös aus dem Heftverkauf. Die 360 Euro aus dem Verkauf habe ich ja zuvor auch schon erzielt. Also habe ich letztendlich durch die feste Stelle sogar 160 Euro weniger auf der Hand als vorher.
NZ: Sie werden aber doch sicher mehr als 400 Hefte verkaufen können?
Semtner: Natürlich, genau darin besteht ja die Möglichkeit, den Verlust wieder ein wenig abzupuffern: durch Eigeninitiative.
NZ: Geben sie doch mal eine optimistische Schätzung ab, wie viele Hefte sie im Dezember verkaufen werden.
Semtner: Den Dezember darf man natürlich nicht als Maßstab für alle Monate nehmen. Rund um Weihnachten geht das Geschäft immer besonders gut. Da wird ja auch die Auflage von 20 000 Stück auf 27 000 Stück aufgestockt. Deutlich schwieriger wird es dann ab Februar. Aber jetzt im Dezember hoffe ich schon, so an die 700 Hefte zu verkaufen.
NZ: Sie stehen ja immer in regem Kontakt zu ihrer Kundschaft. Sind Sie denn schon angesprochen worden?
Semtner: Sehr viele Kunden haben mir gratuliert. Auch viele Leute, die ich gar nicht näher kannte, die haben dann im vorübergehen den Daumen gehoben und mich angelächelt. Aus welchen Gründen auch immer sehen die alle das sehr positiv. Allerdings waren auch schon Leute bei mir, die jetzt ein wenig verunsichert sind. Die haben mich dann gefragt, ob es jetzt überhaupt noch Sinn macht, bei mir zu kaufen, weil ich jetzt ja einen „festen Job“ habe. Denen musste ich dann erklären, dass ich selbstverständlich weiterhin auf gute Umsätze angewiesen bin. Das gibt mir jetzt natürlich ein bisschen zu denken.
NZ: Abgesehen von der Prämie von 140 Euro hat sich ja eigentlich nicht viel geändert, oder?
Semtner: Naja, und ich verliere eben die Grundsicherung. Die Arge hatte sich schon bei mir gerührt, da war mein endgültiger Arbeitsvertrag noch nicht mal unterzeichnet. Das geht ziemlich schnell bei denen. Aber das ist mir jetzt egal, ich habe mich für diesen Schritt entschieden, auch wenn ich dafür finanzielle Nachteile in Kauf nehme.
Fragen: Sebastian Linstädt; Nürnberger Zeitung, 2.12.06