KREUZERVERHÖT: Ute x Dr. Markus Beckmann

KREUZERVERHÖR
Ute x Dr. Markus Beckmann

Zum 25. Jubiläum des Straßenkreuzer e. V. bringen wir Menschen zusammen, die einiges gemeinsam haben – und doch ein Leben trennt. Denn sowohl unsere Verkäuferinnen und Verkäufer als auch prominente Personen der Region stehen tagtäglich in der Öffentlichkeit. Nur die Gründe könnten unterschiedlicher nicht sein. Für unser Magazin lernen sich im Jubiläumsjahr immer zwei von ihnen kennen, stellen sich einmal im Monat gemeinsam in die Öffentlichkeit – und erst im Heft einander und später nur zu gerne Ihren Fragen. Wann und wo Sie unsere in jeder Hinsicht prominenten Verkäufer besuchen können, finden Sie immer am Ende des Interviews. Jetzt aber erstmal: Ton ab in der Stadtbibliothek!
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Die „Stadtbibliothek Zentrum“ ist relativ neu. 2012 wurde sie eröffnet. Hier dürfen Medien nicht nur konsumiert, sondern auch mit ihnen experimentiert werden. In der Lounge beim Eingangsbereich finden sich einige rote Kunstleder-couches. Auf einer davon lassen sich Ute und Markus Beckmann nieder.

Ute: Für mich ist die Straßenkreuzer Uni weniger Bildung als Information. Wenn man arbeitslos ist wie ich, ist man froh über so ein Angebot. Man kann auch Fragen stellen, was ich vor allem bei aktuellen Themen gut finde. Zum Beispiel neulich, da ging es um Altersarmut. Außerdem finde ich es interessant, an Orte zu kommen, die uns normalerweise verwehrt bleiben, wie die Bibliothek vom Gericht.

Markus Beckmann: Was hat ihnen denn bisher am besten ge-fallen?

Ute: Es gab mal einen Kurs zum Thema Steinzeichnen. Das durften wir auch praktisch ausprobieren, was ich toll fand.

Markus Beckmann: Was sind für Sie abseits von der Straßenkreuzer Uni weitere Bildungsquellen?

Ute: Der Fernseher und die Zeitung sind natürlich wichtig. Flyer mit dem Hinweis auf Veranstaltungen finde ich auch gut. Wie ist das bei Ihnen? Wo suchen Sie ihren Zugang?

Markus Beckmann: Es gibt so viele Zugänge zur Bildung, dass ich mich manchmal fast ein wenig erschlagen fühle und gucke, wie ich damit umgehe. Zum Beispiel: „Diese Bibliothek ist voll. Aber welches Buch lese ich jetzt?“ Schön ist, dass ich durch meine Arbeit automatisch lerne und mich bilde. Die Studierenden haben gute Fragen, da muss auch ich mich teils erstmal einarbeiten. Ich habe allerdings auch das Gefühl, dass ich, je mehr ich lerne, umso mehr weiß, was ich nicht weiß. Komisch, oder?

Ute: Inwiefern würden Sie unterscheiden, was Bildung ist und was Information?

Markus Beckmann: Das ist eine interessante Frage. Es ist schwierig zu sagen, wann etwas wirklich Bildung ist und wann man sich etwas einfach nur gemerkt hat. Ist es Bildung, die Hauptstadt eines Landes zu kennen? Den Kurs mit dem Steinzeichner, von dem Sie vorhin erzählt haben, das ist im Vergleich schon mehr. Da hat man danach was geschaffen, was nicht nur eine Information ist, die man aufgesaugt hat.

Ute: Stimmt.

Markus Beckmann: Wenn man danach einen anderen Horizont hat als vorher, vielleicht ein kleines bisschen eine andere Person ist, dann hat man sich mehr gebildet als wenn man einen reinen Fakt erlernt oder wiederholt.

Ute: Ich finde da verwischen sich die Grenzen. Bildung beginnt ja mit dem Interesse für eine Sache. Bildung ist auch Wissen. Nach jedem Vortrag weiß ich was anderes, neues, das sich weitläufig auf mein Leben auswirkt.

Markus Beckmann: Das ist ein guter Punkt. Ich bin ja offiziell im Bildungsgeschäft. Manchmal fällt es wirklich schwer, zu unter-scheiden, was die Leute wirklich fürs Leben gelernt haben oder was nur für die nächste Prüfung von Bedeutung ist. Was wären denn Sachen fürs Leben, die für die Bildung wichtig sind? Ich frag mich oft, ob wir an der Uni nur Bildung im Sinne von Ausbildung machen, oder ob die Sachen, die wir den Studenten beibringen auch einen echten Wert haben, außerhalb des Hörsaales oder der Klausur.

Ute: Es geht ja vielleicht nach einer erfolgreich absolvierten Klausur einfach darum, zufrieden zu sein mit dem Erlangten. Ob das dann im Sinne der Bildung korrekt ist, weiß ich nicht.

Markus Beckmann: Ich glaube das ist ganz wichtig, aber auch ganz schwer, weil es Teil des Bildungssystems ist, zu sagen, „du könntest noch zwei Punkte mehr in der Klausur haben“.

Die größte für Ute im Alltag fehlende Quelle für Bildung und Infor­mation, erzählt sie etwas später noch, sei der fehlende Internet­anschluss zu Hause, den sie sich nicht leisten könne. Die beiden haben übrigens noch ausgemacht, sich alsbald bei der Straßen­kreuzer Uni wieder zu treffen.

Ute möchte nicht, dass wir ihren Nachnamen, Beruf oder ihr Alter veröffentlichen. Das respektieren wir selbstverständlich. Wir dürfen schreiben, dass sie über 50 Jahre alt ist und im kaufmännischen Bereich gelernt und gearbeitet hat. Momentan ist die gebürtige Nürnbergerin, die ihr Zuhause in der südlichen Südstadt hat, arbeitslos. Das möchte sie gerne ändern. Ute besucht regelmäßig die Straßenkreuzer Uni, die Menschen mit Freude an Bildung zusammenbringt.

Professor Dr. Markus Beckmann lebt ebenfalls in der Nürnberger Südstadt, bei St. Peter. Er lehrt an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Uni-versität (WISO) Nachhaltigkeitsmanagement und beschäftigt sich und seine Studenten damit, wie Unternehmen neben dem wirtschaftlichen Erfolg beim Umgang mit Mensch, der Natur oder anderen Ressourcen punkten können. Der gebürtige Hesse mit längerer beruflicher Zwischenstation in Berlin Kreuzberg lebt und arbeitet inzwischen im achten Jahr in Franken, ist aber weiterhin noch häufig in Berlin anzutreffen – auch aufgrund privater Bindung.

Interviewführung: David Lodhi | freier JournalistFotos: David Häuser | davidhaeuser.de