KREUZERVERHÖR: Natalie de Ligt x Jörg Knapp

KREUZERVERHÖR
Natalie de Ligt x Jörg Knapp

Zum 25. Jubiläum des Straßenkreuzer e.V. bringen wir Menschen zusammen, die einiges gemeinsam haben – und doch ein Leben trennt. Denn sowohl unsere Verkäuferinnen und Verkäufer als auch prominente Personen der Region stehen tagtäglich in der Öffentlichkeit. Nur die Gründe könnten unterschiedlicher nicht sein. Für unser Magazin lernen sich im Jubiläumsjahr immer zwei von ihnen kennen, stellen sich einmal im Monat gemeinsam in die Öffentlichkeit – und erst im Heft einander und später nur zu gerne Ihren Fragen. Wann und wo Sie unsere in jeder Hinsicht prominenten Verkäufer besuchen können, finden Sie immer am Ende des Interviews. Jetzt aber erstmal: Ton ab im Neuen Museum an der raum- greifenden Installation von Böhler & Orendt!
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Jörg Knapp: Bist du lieber hier im Neuen Museum oder in der A.theke in Fürth?

Natalie de Ligt: Das sind zwei Paar Schuhe finde ich. In beiden passieren Kunst und Kultur. Aber die A.theke ist mehr Subkultur, auch wenn die Kunst dort nicht „sub“ ist, sondern quasi „high“. Das Neue Museum ist ein staatliches Museum, da fließen ganz andere Gelder, wenn eine Sammlung gezeigt wird. Ich finde das schwer zu vergleichen, bin aber an beiden Orten sehr gerne. Wie ist das bei dir?

Jörg Knapp: Ich bewege mich natürlich viel lieber in der Subkultur und würde da auch immer mit anpacken, wenn es nötig ist. Subkultur ist so herrlich unformal. In einer Institution wie dem Neuen Museum muss das anders sein, angefangen beim uniformierten Sicherheitspersonal bis hin zur Kostenstruktur. Aber ich nehme das so hin wie es ist. Im Neuen Museum fühle ich mich am wohlsten wenn Creative Monday ist.

Natalie de Ligt: Du bist der einzige Straßenkreuzer-Verkäufer den ich kenne, der so aktiv am Kulturleben teilnimmt und sich das offenbar auch leistet. Du musst ja bestimmt auch manchmal was zahlen und ich kann mir vorstellen, dass viele ihr Geld lieber anderweitig ausgeben.

Jörg Knapp: Du meinst in zwei Bier?

Natalie de Ligt: Nein, ich dachte da eher an die Grundbedürfnisse, die gedeckt werden müssen.

Jörg Knapp: Ich kann da herrlich substituieren. Wir haben in Nürnberg eine extrem leistungsfähige Sozialindustrie. Wenn man sich geschickt anstellt, kann man da viel machen. Voraussetzung dafür sind geistige Flexibilität und ein Fahrrad. Flexibilität, weil man auch innerhalb einer teils kurzen Zeitspanne an viele verschiedene Orte muss. Ein Fahrrad, weil ich damit schneller bin. So kann ich gegebenenfalls auch ein paar Hefte mehr verkaufen und die Leute ein wenig mehr nerven.

Natalie de Ligt: Durch mehr nerven verkauft man mehr Straßenkreuzer? Das finde ich interessant.

Jörg Knapp: Der Wortakrobat Christian Schloyer hat mich öffentlich schon als Berufsnervensäge bezichtigt. Damit kann ich aber gut leben. Es ist doch wunderbar, sein Interesse an Kunst- und Kulturorten mit dem Heftverkauf zu verbinden.

Natalie de Ligt: Ist dann damit für dich der Ort, den du besuchst, an sich wichtiger als die Kunst, die du vorfindest und die Auseinandersetzung mit dieser Kunst?

Jörg Knapp: Für mich ist der Ort eigentlich nicht entscheidend. Ich denke eher in Veranstaltungen, der Ort ist für mich ein Hilfsmittel. Das vermutete Publikum ist auch ein Faktor. Welche Menschen gucken mit welcher Intention welche Kunst an, wer guckt sich was aus freien Stücken an … Wie ist das bei dir? Wie wählst du aus, wo du hingehst?

Natalie de Ligt: Ich hab natürlich einige Kunst-Seherfahrung auf dem Buckel und hab dadurch einen selektiven Blick. Mir ist das aber letzten Endes egal, wo ein Werk, das ich gut oder schlüssig finde, ausgestellt ist.

Die gebürtige Holländerin Natalie de Ligt (50) lebt seit Beginn der Nullerjahre in Fürth und ist mit dem Kabarettisten und Schauspieler Matthias Egersdörfer verheiratet. Fürth und Nürnberg nimmt sie als großes Ganzes wahr – das Überschreiten der Stadtgrenze ist da eher ein unauffälliger Akt, den man kaum wahrnimmt. Sie arbeitet auf freiberuflicher Basis als Kunsthistorikerin, Kuratorin und Kolumnistin und schätzt sowohl die entspannte Ruhe als auch das lebendige, reichhaltige Kulturangebot der Region.

Jörg Knapp (50+) ist eingeborener Nürnberger und im Norden der Stadt aufgewachsen. Als einziger Straßenkreuzer-Verkäufer hat er keinen festen Verkaufsplatz, sondern pendelt samt Fahrrad zwischen seinem Lieblingsviertel der Stadt, Gostenhof, und diversen Kunstausstellungen. Hier kennt man ihn nicht nur als Magazinlieferanten, sondern schätzt auch sein beachtliches Kunstverständnis – und kennt ihn als Mitglied der „Partei“.

☞19.7.

Wie kulturverbunden (und gar nicht nervig!) Jörg Knapp in der Nürnberger Szene herumschwirrt, wird Natalie de Ligt am 19. Juli höchstpersönlich inspizieren – nämlich von 17.30 bis 18.30 Uhr ganz authentisch beim „Kulturhauptstädtla“, der Stadt in der Stadt auf dem Richard-Wagner-Platz. Falls da lautstark über den Kunstbegriff debattiert wird, machen Sie einfach mit!

Interview: David Lodhi | freier Journalist
Foto: Claudia Holzinger | claudia-holzinger.de