KREUZERVERHÖR: Frank Wuppinger x Nilgün Dogan

KREUZERVERHÖR
Frank Wuppinger x Nilgün Dogan

Zum 25. Jubiläum des Straßenkreuzer e.V. bringen wir Menschen zusammen, die einiges gemeinsam haben – und doch ein Leben trennt. Denn sowohl unsere Verkäuferinnen und Verkäufer als auch prominente Personen der Region stehen tagtäglich in der Öffentlichkeit. Nur die Gründe könnten unterschiedlicher nicht sein. Für unser Magazin lernen sich im Jubiläumsjahr immer zwei von ihnen kennen, stellen sich einmal im Monat gemeinsam in die Öffentlichkeit – und erst im Heft einander und später nur zu gerne Ihren Fragen. Wann und wo Sie unsere in jeder Hinsicht prominenten Verkäufer besuchen können, finden Sie immer am Ende des Interviews. Jetzt aber erstmal: Ton ab im La Ola!
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Frank Wuppinger: Hörst du Musik?

Nilgün Dogan: Ab und zu. Ich mag die Musik aus meiner Heimat. Aber es ist jetzt nicht so, dass sich in meinem Leben viel um die Musik dreht. Kennst du die Musik aus der Türkei?

Frank Wuppinger: Ich hab ein Gitarrenduo, zusammen mit dem türkischen Gitarristen Ozan Coşkun. Da spielen wir auch einige Stücke aus der Türkei. Außerdem hatte ich früher eine Band, die viel Musik aus dem Balkan gespielt hat. Da die Türkei den Balkan 500 Jahre lang besetzt hatte, ist die Musik dort stark türkisch beeinflusst. Ich bin generell jemand der mit seinem musikalischen Schaffen Grenzgänge auslotet.

Nilgün Dogan: Warst du schon mal in der Türkei?

Frank Wuppinger: Ja, ich hab da auch schon gespielt, auf dem Chalet Festival in Ankara. Wie ist es bei dir, wann warst du das letzte Mal in der Türkei?

Nilgün Dogan: Das weiß ich gar nicht mehr so genau, das ist schon lange her. Ich bin ja fast hier in Deutschland geboren und fühle mich hier zu Hause. Die Türkei ist für mich im Vergleich ein unbekanntes Land, auch wenn ich das politische Geschehen mitverfolge und die Musik mag. Hier ist es nicht so streng wie in der Türkei. Und es gibt keinen Erdogan, vor dem alle Angst haben.

Frank Wuppinger: Ich habe das Leben in Ankara damals als sehr interessant empfunden und auch viel westlicher als ich es erwartet hatte. Das Leben abends war so, wie man es sich in mediterranen Städten vorstellt, und die Menschen, die wir kennen gelernt haben, waren sehr offen. Auf der anderen Seite sieht man aber immer wie- der den Orient, zum Beispiel durch vollverschleierte Menschen, die einem entgegenkommen.

Nilgün Dogan: Atatürk hat die Verschleierung ja vor vielen Jahrzehnten verboten. Aber die Leute haben im Prinzip gemacht was sie wollten. Im Franken-Center, wo ich jeden Tag bin, begegnen mir auch verschleierte Menschen. Aber das ärgert mich eigentlich.

Frank Wuppinger: Warum?

Nilgün Dogan: Ich bin ein normaler Mensch, das schaut für mich nicht schön aus. Man kann nicht sehen, wer sich unter dem Schleier oder einem Kopftuch versteckt. Abgesehen davon ist es rein religiös gesehen ein Widerspruch, einen Schleier zu tragen und gleichzeitig eine enge Hose oder einen kurzen Rock. In unserer Kultur ist das nicht so gedacht.

Frank Wuppinger (45) ist Musiker und lebt seit 1998 in Nürnberg. Der studierte Jazzgitarrist hat mehrere Konzertreisen nach Süd- und Osteuropa hinter sich und ist auch schon im türkischen Ankara auf der Bühne gestanden. Neben dem aktiven Musikersein und seiner Tätigkeit als Musiklehrer wechselt er einmal im Jahr für das Nuejazz Festival die Seiten und zeigt sich als Kurator und Gastgeber eines internationalen, viel beachteten Programmes, das Jazzmusik als Crossover zwischen den Kulturen und den Genres versteht.
Nilgün Dogan ist zwar in der Türkei geboren, lebt aber bereits seit mehr als 50 Jahren in Deutschland, genauer gesagt in Fürth. Nach verschiedenen Jobs, zum Beispiel als Reinigungskraft bei Grundig oder bei diversen Zeitarbeitsfirmen, verkauft sie nun seit etwa zwölf Jahren im Franken-Center in Langwasser den Straßenkreuzer. Nilgün gehört damit zu den dienstältesten Verkäuferinnen, die sich dort, wo sie alltäglich steht, sehr wohl fühlt und für manch einen Kunden weit mehr ist als eine Zeitungsverkäuferin.

☞27.6.

Ein türkisch-musikalisches Duett gibt es am Donnerstag, 27. Juni von 12 bis 13.15 Uhr am Franken-Center (U-Bahn- Aufgang Langwasser Mitte). Warum „Zimt“ dabei eine wichtige Rolle spielen wird? Finden Sie’s raus!

Interview: David Lodhi | freier Journalist
Foto: Claudia Holzinger | claudia-holzinger.de