Welchen Stellenwert hat der Bereich Kunst im öffentlichen Raum in Nürnberg?
Wir versuchen ihn zu pflegen. Es ist eine Frage des Budgets. Zurzeit haben wir ein Budget, weil wir das Symposion Urbanum 2025, kurz SUN*25 machen. Wir haben zudem in der Stadt ein paar Schrauben so justiert, dass wir künftig viel mehr Kunst im öffentlichen Raum machen können. Der wichtigste Aspekt ist, dass Investoren durch die städtebaulichen Verträge gezwungen sind, zwei Euro pro Quadratmeter für die Kunst in die Hand nehmen zu müssen. Außerdem hat der Stadtrat beschlossen, dass wir wieder den Rahmen, wie er von der Bundesbaukommission empfohlen wurde, nämlich 1 bis 2 Prozent der Bausumme für Kunst am Bau zur Verfügung zu stellen, umsetzen.
Eine anhaltende Diskussion gibt es um die Frage, ob und in welcher Form das ehemalige Reichsparteitagsgelände erhalten werden sollte. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Ich glaube, dass es zu erhalten ist. Ich bin gespalten, ob der Erhaltungsgrad notwendig ist, aber ich stecke nicht tief genug in dem Thema drin um sagen zu können, in welchem Umfang es sinnvoll und nötig ist. Ich vertraue dem Team, das sich diesen Fragen angenommen hat. Für mich ist es wichtig, wie die Erinnerungskultur gepflegt werden kann. Mit einem Foto, wie es dort mal ausgesehen hat, kann ich sie schlecht pflegen. Die Frage ist immer, wie Angebote, etwa Führungen, auf Dauer angenommen werden.
Und es gibt die Angst vor Missbrauch des Ortes durch Neonazis. Wie lässt sich das verhindern?
Ich glaube jedenfalls, dass es sinnvoll ist, solche Fragen aufzugreifen. Ich bin sicher, dass 2025, wenn wir Kulturhauptstadt sind, die Diskussion um das Reichsparteitagsgelände sehr klar sein wird. Dies auch aufgrund der Veranstaltungen und inhaltlichen Veränderungen, die die Stadt Nürnberg dort geplant haben. Aber wie gesagt, ich bin dafür kein Experte.
Ob Denkmäler oder Kunstwerke – sie kommen auf vielen Plätzen nicht zur Geltung. Kann Nürnberg Plätze nicht?
Die Stadt Nürnberg hatte tatsächlich ein Problem mit der Platzgestaltung. Doch sowohl SÖR als auch Stadtplanungsamt haben dieses Problem erkannt und machen viel. Nehmen wir zum Beispiel das Beethoven-Denkmal am Hallertor. Bisher hat er irgendwo hin geblickt, jetzt blickt er in die Altstadt hinein. Der Beirat für Bildende Kunst leistet hier auch viel und unterstützt. Diese Kraft sollten wir zu schätzen wissen. In Münster etwa, meiner Heimatstadt, tagt dieses Gremium quasi nur alle zehn Jahre, wenn das alle zehn Jahre stattfindende Skulpturen-Projekt zu Ende ist und entschieden wird, welche der Arbeiten bleiben sollen. Die Arbeit des Beirats in Nürnberg ist konstant und übrigens immer wieder auch eine Arbeit des Ablehnens. Man tut Künstlern auch manchmal weh. Das Konzept des Baumhauses am Plärrer war so ein Fall.
Am Plärrer geht ja schon das Zwangsarbeiter-Mahnmal von Hermann Pitz in der Wahrnehmung unter. Auch so ein Platz, der verschlingt, an dem man sich nicht gerne aufhält und betrachtet.
Als die Arbeit damals eingeweiht wurde, war sie präsenter. Jetzt wird der Plärrer ja Baustelle. Natürlich wurden wir gefragt, welche Rahmenbedingungen wichtig sind, wenn der Platz neu gestaltet wird. Wir haben gesagt, die Arbeit des Symposion Urbanum von Andreu Alfaro als auch die von Hermann Pitz müssten mehr herausgestellt werden. Und wir haben angeregt, dass es unbedingt wieder eine Brunnenanlage auf dem Platz geben muss. Die alte entspricht nicht mehr dem Stand der Wassertechnik. Friedrich-Ebert-Platz, Bahnhofsvorplatz, Plärrer, das sind Knoten, die eine besondere Bedeutung für den Verkehr haben. Extrem schwierig zu glauben, wir machen die mal schön, damit sich die Leute hinsetzen. Die werden nie Verweilplätze sein können, so lange Autos in diesen Massen fahren.
Warum dann dieser Standort für das Zwangsarbeiter-Mahnmal?
Er ist der richtige Standort, weil man die Arbeit nicht nur von oben, sondern auch von unten sehen muss. Dass dieser Strudel nach unten in die U-Bahn geht, löst nochmal einen ganz anderen Aspekt aus. Den darf man nicht unterschätzen.
Manche Städte haben Stolpersteine abgelehnt, damit die Opfer nicht mit Füßen getreten werden. Nürnberg hat viele – wie stehen Sie dazu?
Die Stadt hat sich ganz klar dafür ausgesprochen. Es ist ein Prozess, der in Gang gekommen ist und beibehalten wird. Ich persönlich hätte mir auch Tafeln an der Wand vorstellen können, aber es ist jetzt gut wie’s ist. Man darf ja auch nicht vergessen, es sind Spenden, diese Arbeiten sind in der Regel privat finanziert, davor hab ich Hochachtung, dass sich Menschen dafür einsetzen, dass der Ermordeten gedacht wird – und man kann auch bewusst drübersteigen. Wenn ich nochmal darauf zurückkomme, welche Art von Kunstwerken wir in dieser Stadt finden, dann muss ich der Stadt wirklich Respekt zollen mit welcher Art und Weise man Kunst und Gedenkstätten ausgesucht hat, wem gedacht wird. Das finde ich extrem bemerkenswert. Der Stolperstein ist da nur ein Aspekt, man muss die Fülle sehen.
Joseph Beuys hat sinngemäß gesagt, Kunst im Museum wird von Experten ausgewählt und zeigt sich dort im geschützten Raum. Kunst da draußen ist wahrlich demokratisch, denn alle werden zu Experten und urteilen. Seine Fettecke und die 7000 Eichen in Kassel sind Beispiele dafür. Was können Sie damit anfangen?
Sehr viel. Die beiden Arbeiten von Beuys sind ja eindeutig Kritik. Die Fettecke, die ja in Münster entstanden ist, ist Architekturkritik, die Eichen sind Umweltkritik. Beuys geht durch Kassel und sieht, da steht ja kaum ein Baum. Das nimmt ein Künstler wahr. Was ich immer wieder faszinierend finde ist, welche Initialzündung Künstler haben, wenn sie durch eine Stadt gehen, auch deren Narben erkennen. 2006 beim großen Rasenstück haben wir alle Künstler vorab eingeladen. Die Reaktion war jeweils sehr klar, wo sie sich platzieren wollen. Zum Beispiel Olaf Nicolai mit seinen Pavillons auf der Insel Schütt. Übrigens das einzige erhaltene Kunstwerk, das an Nürnberg als einen Austragungsort der Fußball WM erinnert. Nicolai wollte ja, dass auf den Hochbeeten Rasen gesät werden sollte. Die Stadt war skeptisch, probierte es nur an den angrenzenden Flächen. Dann wurden alle anderen ebenso umgebaut, denn es wird seither genutzt. Respekt, dass man das noch gemacht hat. Wir haben auch immer wieder den Impuls mit Beuys zu spielen. Gerade für das anstehende Symposion-Jubiläum. Es gibt sogar das Gerücht, dass eine der Eichen in Nürnberg stehen soll.
Vielleicht neben der Berliner Mauer am Hallplatz?
Das ist auch so ein Thema. Der Beirat möchte sie gerne am Platz der Deutschen Einheit in Röthenbach stehen haben. Denn die Arbeit geht an dieser Stelle in einer Art Übermöblierung unter. Der Platz der Deutschen Einheit wäre eine stimmige Zusammenführung.